(Zionismus versus Judaismus)
Viele streng gläubige Juden betrachten den Zionismus als Gefahr
für das eigentliche Judentum und anerkennen den Staat Israel
nicht. Ihre einflußreichste Organisation nennt sich Neturei
Karta‘ und ist in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Ein
New Yorker Rabbiner vertrat ihren Standpunkt in einem theologischen
Diskurs an der ‚Internationalen Konferenz über authentische
Geschichtsforschung und freie Meinungsäußerung, die Mitte
Juni 2002 in Washington stattfand. Die kursiven Einschübe stammen
vom Übersetzer.
@Autor:Von Rabbi Yisroel Dovid Weiss
@GS: Es gibt wahrscheinlich kein Thema, das die Juden mehr entzweit
als der Zionismus. Entgegen vieler Stereotypen, die das Gegenteil
behaupten, sind wir bekannt als ein Volk, das sich von Zeit zu Zeit
uneins ist.
Hiermit möchte ich die Sicht der echten, traditionellen Juden
aufzeigen, die sich unserer Meinung nach nicht mit der Sicht jener
Juden deckt, die stark vom rechten Pfad abgewichen sind. Deshalb
beginne ich mit einer brauchbaren Definition des orthodoxen Judentums.
Sie wird den Rahmen für alles Folgende bilden. Meine Bemerkungen
basieren auf dem Glauben, den Riten und den Geboten der Thora.
Obwohl vieles, was ich sage, in weltlichen oder humanistischen Begriffen
verstanden werden kann – vor allem, wenn ich über die
aktuelle Lage im Heiligen Land spreche – so glauben wir, daß
die Juden über die Begrenzungen weltlicher Philosophien hinauswachsen
müssen, so moralisch vertretbar diese auch sein mögen.
Was ist das orthodoxe Judentum? Es ist der Glaube, daß der
Schöpfer dem jüdischen Volk am Berg Sinai die Thora
enthüllt hat. Diese Thora ist in zwei Teile gegliedert:
• Das geschriebene Gesetz, das man normalerweise als die alttestamentarische
Bibel bezeichnet, <I>[Die eigentliche Heilige Schrift der
Juden – die man gemeinhin Thora nennt – besteht nur
aus den fünf Büchern Mose: Genesis, Exodus, Levitikus,
Numeri und Deuteronomium; der Übersetzer.].
• Das mündliche Gesetz, das die meisten rabbinischen
Kommentare umfaßt, beispielsweise die Mishnah und
den Talmud. Die letzteren Gebote wurden viele Generationen
lang vor allem mündlich weitergegeben, bis sie schließlich
in den oben genannten Werken festgehalten wurden.
Der Judaismus lehrt seit jeher, daß ein Jude an die Thoraglauben
und seine Religion mit all ihren vielen detaillierten Gesetzen [613
an der Zahl] ausüben muß, ohne auch nur ein Jota von
diesen Geboten abzuweichen.
Wie dem auch sei, der Judaismus kennt keinen Zwang zur Bekehrung
von Nichtjuden. So sind denn auch alle Konvertierungen zum Judentum
freiwillig erfolgt. Vom Nichtjuden verlangt die Thora,
daß die ganze Menschheit an den Einen Gott glaube und Seine
fundamentalen Gesetze der Moral befolge, wie sie in der Thorafestgehalten
sind. Ein solcher Mensch wird als rechtschaffen angesehen und die
kommende Welt erben.
Und so lebten die Juden Generationen auf Generationen im Einklang
mit dem Gesetz Gottes, demütig und rein, vertieft in das Studium
und Ausüben des Willens des Schöpfers und seinen vielen
Geboten in der Thora.
Im Zuge der europäischen Aufklärung wurde jedoch
das Fundament der jüdischen Existenz angegriffen. Zum ersten
Mal in der Geschichte unseres Volkes wandten sich viele Juden vom
Glauben an die Thora ab. Außerdem entstanden verschiedene
Gruppierungen, welche zwar die jüdische Identität erhalten
wollten, aber gleichzeitig die Ausrichtung auf Gott als Mittelpunkt
des jüdischen Lebens aufgaben und damit auch den Gehorsam gegenüber
der Thora – wie beispielsweise die Reformjuden oder
später die konservative jüdische Bewegung.
Historisch gesehen ist der Zionismus bloß einer dieser vielen
zur letzten Jahrhundertwende aufgekommenen Versuche, eine säkulare
(weltliche) jüdische Identität zu schaffen. Doch entgegen
anderen Bewegungen war der Zionismus sehr erfolgreich. Vielleicht
deshalb, weil er auf einzigartige Weise traditionelle Ideen mit
einer neuen Ideologie verwob.
@ZT-1zeilig:Exil und Erlösung
@GS: Abraham war sowohl der Urvater des jüdischen Volkes wie
auch seiner arabischen Vettern. Er wird in der Bibel als Fürst
Gottes unter uns‘ bezeichnet (Genesis 23:6). Da der Mensch
nicht in Isolation lebt, ist es des wahrhaft religiösen Menschen
Ziel, einen Grad an Hingabe zu erreichen, der in anderen Menschen
ebenfalls den Wunsch nach Gottesfurcht weckt. Seit den Tagen Abrahams
war dies eine wichtige Aufgabe des jüdischen Volkes. Die Offenbarung
am Sinai legte eine enorme Bürde auf die Schultern unseres
Volkes. Wir waren dazu aufgerufen, ein Königreich von Priestern
und eine Heilige Nation‘ zu sein (Exodus 19:6).
Durch die Zeitalter hindurch lebten die Juden ein demütiges,
heiliges Leben, suchten den Frieden zu allen Menschen und bemühten
sich, loyale und kooperative Bürger jener Nationen zu sein,
in denen sie lebten – genauso wie es Gott von ihnen verlangte.
Gemäß dem traditionellen Thora -Glauben war
das Heilige Land ein Geschenk Gottes an das jüdische Volk,
allerdings geknüpft an Bedingungen. Es war ein Ort, wo man
Gott anbeten sollte. Die Bibel prophezeite jedoch, daß die
Kinder Israels‘ aus ihrem Land verbannt und ins Exil geschickt
würden, sollten sie ihre geistige Aufgabe nicht erfüllen.
Diese Verbannungsstrafe wird solange dauern, bis es dem Herrn in
Seiner Gnade gefällt, der Geschichte, wie wir sie kennen, ein
Ende zu bereiten. Dann wird die messianische Ära beginnen,
eine Zeit der universalen Bruderschaft und des Friedens. In dieser
utopischen Zukunft wird die ganze Menschheit friedvoll und harmonisch
den Einen Gott anerkennen und anbeten, mit dem Heiligen Land und
der Stadt Jerusalem als Zentrum.
In einem Gebet, das an jedem wichtigen jüdischen Feiertag gesprochen
wird, finden wir folgende Worte: „Und unserer Sünden
wegen wurden wir aus unserem Land vertrieben und von unserem Boden
entfernt. Nicht heraufkommen und vor Dir erscheinen können
wir, noch uns vor Dir niederwerfen.“
Diese Gebete sind nichts neues für jene, die sie geschrieben
haben und sie bis heute beten. Seit der Tempelzerstörung glaubte
unser Volk die ganze jüdische Geschichte hindurch, daß
unsere Verbannung eine göttliche Strafe sei. So wagte es auch
kein Jude während den Jahrtausenden unseres Exils (Diaspora),
die Zerstörung des Tempels durch die Römer auf das Unvermögen
der jüdischen Streitmacht zurückzuführen. Vielmehr
ging der Tempel physisch verloren, weil das jüdische Volk versagt
hatte, nach den geistigen Geboten Gottes zu leben.
Deshalb hat kein Jude – trotz aller Ausgrenzung und Verfolgung
– je vorgeschlagen, man solle das Heilige Land mit Waffengewalt
zurückerobern. Das Exil war zwar eine physische Tatsache, doch
wurde es durch rein geistige Kräfte herbeigeführt und
aufrechterhalten.
Aus diesem Grund können und werden nur Mächte die Diaspora
beenden und die versprochene Ära des Friedens und einer weltweiten
Bruderschaft einläuten, die von geistiger Natur sind. Sie bestehen
aus den grundlegenden Bräuchen unseres Glaubens: Reue, Glaube,
das Studium der Thoraund gute Werke.
Außerdem bedeutet das schlußendlich Ziel – das
Ende des Exils – nicht einen Staat Israel‘ – ein
politisches Gebilde, begründet auf der Unterdrückung und
Unterwerfung eines anderen Volkes. Im Gegenteil: Dies ist geradezu
die Antithese zu jenem Ende der Diaspora, auf das wir hoffen: nämlich
eine Spiritualität voller Bruderschaft, Harmonie und weltweitem
Dienst an dem Einen Gott.
Um es mit den Worten von Rabbi Samson Hirsch zu sagen, einem deutsch-jüdischen
Gelehrten des 19. Jahrhunderts: „Als während der Herrschaft
des römischen Kaisers Hadrian sich die von Bar Kochba angeführte
Revolution als verhängnisvoller Fehler erwies, wurde klar,
daß das jüdische Volk einer grundlegenden Tatsache ständig
gedenken muß: Niemals mehr darf das Volk Israel versuchen,
sich seine nationale Unabhängigkeit durch eigene Kraft zu erkämpfen;
es muß seine Zukunft als Nation ausschließlich in die
Hände der göttlichen Vorsehung legen. (...) Es ist uns
verboten, mit Mitteln nach der Vereinigung und Wiederinbesitznahme
des Landes zu trachten, die nicht geistiger Natur sind.“
Der Zionismus weist all dies zurück. Er besteht darauf, daß
das Exil eine rein materielle Angelegenheit ist, hervorgerufen durch
militärische und physische Schwäche. Der Zionismus rief
das jüdische Volk dazu auf, sein Exil mit Waffengewalt zu beenden.
Er führte Krieg, zuerst gegen die Briten und dann gegen die
Palästinenser.
Der Versuch, das Exil mit rein weltlichen Begriffen zu erklären
und dementsprechend zu handeln, ist nicht einfach nur eine fehlgeleitete
Doktrin oder eine Entstellung der jüdischen Geschichte. Es
ist ein Schlag gegen das Herzzentrum des jüdischen Glaubens.
Tatsächlich schrieb der Maharal von Prag, ein tschechoslowakischer
Rabbi und eine Schlüsselfigur unter den jüdischen Führern
des Mittelalters, daß ein Jude eher sein Leben aufgeben soll
als zu versuchen, das Exil durch die Rückeroberung des Heiligen
Landes zu beenden.
Warum war diese Ansicht so fundamental für unser Glaubenssystem?
Um es einfach auszudrücken: Wenn man das Exil bloß als
die Folge von militärischen Auseinandersetzungen betrachtet,
so reißt man damit die Seele und das Herz aus dem jüdischen
Glauben und der göttlichen Führung.
Wenn wir für uns beanspruchen, den göttlichen Plan für
unser Exil zu verändern – einem Exil der Strafe, der
Reue, der Sühne und der wundersamen Heimkehr wegen –
dann beanspruchen wir, daß die Essenz des jüdischen Schicksals
grundsätzlich von anderen als rein geistigen Kräften verändert
werden kann. Gott spielt dann keine Rolle mehr im Drama und in der
Erfüllung der menschlichen Hoffnungen.
Um es noch deutlicher zu sagen: Wer die Tatsache zurückweist,
daß die Belohnung und Züchtigung eines jeden Menschen
von Gott kommt, wer nicht glaubt, daß Gott ständig über
uns wacht und wer damit zufrieden ist, den Grund unserer Züchtigung
in militärische Schwäche zu sehen, macht sich der Gotteslästerung
schuldig.
Selbstverständlich ist die Diaspora weit mehr als bloße
Strafe. Das jüdische Volk wurde unter die Nationen zerstreut,
um durch Wort und Tat von der Existenz Gottes und seinen offenbarten
Geboten für alle Menschen zu zeugen. Rabbeinu Bachya, ein saragossischer
Bibelkommentator des 12. Jahrhunderts, sagte: „Das jüdische
Volk sollte sich unter die Nationen mischen, damit diese Nationen
von ihnen den Glauben an die Existenz Gottes und an Seine Vorsehung
lernen können.“
@ZT-1zeilig:Keine jüdische Rasse
@GS:Die Juden betrachten sich als das auserwählte Volk Gottes‘
– was den Juden manchmal den Vorwurf einbringt, sie würden
sich als bessere Menschen betrachten. Thora-treue Rabbiner wie Yisroel
Dovid Weiss aus New York wollen dies jedoch rein geistig verstanden
wissen: Ihrer Überzeugung nach sind die Juden von Gott auserwählt,
ein moralisches Vorbild zu sein. Rassismus oder Herrenmenschentum
hätten in dieser Mission keinen Platz.
Diese Haltung scheint jedoch nicht von allen Juden geteilt zu werden.
So sagte der heutige israelische Ministerpräsident Ariel Scharon
1956 in einem Interview mit General Ouze Merham: „Durch die
Vergewaltigung von arabischen Mädchen wollte ich meine Soldaten
ermutigen, denn die palästinensischen Frauen sind Sklavinnen
für die Juden. Wir machen mit ihnen, was wir wollen und niemand
sagt uns, was wir zu tun haben. Wir sagen den anderen, was sie zu
tun haben.“
Es sind Zionisten wie Scharon, die von den streng orthodoxen Juden
als Verräter am eigentlichen Judentum gebrandmarkt werden.
Die Gründe hierfür legt Rabbi Weiss dar. Ein anderer streng
orthodoxer Jude, G. J. Neuberger, sprach an der Konferenz über
Zionismus und Rassismus in Tripolis über „die große
Kluft zwischen Judaismus und Zionismus“:
„Rashi, der berühmteste jüdische Kommentator, erklärt,
der Lehm, aus dem Adam erschaffen wurde, stamme nicht von einer
Stelle, sondern von verschiedenen Orten des Erdballs. Deshalb hängt
die Menschenwürde nicht vom Geburtsort ab, noch ist sie auf
eine bestimmte Region eingeschränkt. Die Größe oder
der Wert eines Menschen wird nicht durch seine äußere
Erscheinung bestimmt. Wir Juden glauben, daß Adam nach dem
Ebenbilde Gottes erschaffen wurde und der gemeinsame Vorfahre aller
Menschen ist. Zu dieser Zeit in der Menschheitsgeschichte gibt es
keinen Raum für privilegierte Leute, die mit anderen machen
können, was ihnen gefällt. Das Menschenleben ist heilig
und die Menschenrechte dürfen nicht von jenen verneint werden,
die sie der ‚nationalen Sicherheit‘ wegen oder aus anderen
Gründen untergraben wollen. Niemand weiß das besser als
die Juden, die so oft und für so lange Zeit zweitklassige Bürger
waren. Die Zionisten mögen allerdings anderer Meinung sein.
Das ist verständlich, denn Judaismus und Zionismus sind alles
andere als das Gleiche: Wenn jemand ein guter Jude ist, so kann
er kein Zionist sein; wenn jemand ein Zionist ist, so kann er kein
guter Jude sein.“
Überall in der Welt wurden in den letzten Jahren auf Druck
der Zionisten sogenannte Antirassismus-Gesetze‘ eingeführt,
die leider nicht nur dem Schutz von Minderheiten dienen, sondern
auch immer wieder als Maulkorb, um Kritik an gewissen Zionisten
zu ersticken, die sich gerne hinter der jüdischen Rasse‘
verstecken und so für sich einen
Unantastbarkeitsstatus reklamieren wollen. Wie viele andere durchschaut
auch Neuberger dieses Spiel der Zionisten und kritisiert vor allem
die Vorstellung einer jüdischen Rasse‘. „Was ist
ein Jude?“, fragt der Rabbi, und antwortet: „Ein Jude
ist, wer eine jüdische Mutter hat oder gemäß der
Halacha – dem jüdischen religiösen Gesetz –
zum Judentum konvertiert ist. Allein schon diese Definition schließt
Rassismus aus. Abgesehen von den Zionisten waren es nur die Nazis,
welche die Juden ständig als eine Rasse betrachteten. Und gerade
sie bewiesen die Dummheit und Sinnlosigkeit von Rassismus. Es gab
keine Möglichkeit, rassisch nachzuweisen, ob eine Frau Müller
oder ein Herr Meyer Juden oder Arier waren. Der einzige Weg, um
herauszufinden, ob jemand jüdisch war, bestand darin, die religiöse
Zugehörigkeit der Eltern oder Großeltern zu überprüfen.
So viel zu diesem Rassen-Unsinn. Rassenstolz war in der Vergangenheit
der Untergang aller Juden, die von ihrem eigenen engstirnigen Chauvinismus
verblendet waren.“
@ZT-1zeilig: Der Erfolg des Zionismus
@GS:Rabbi Weiss: Tragischerweise wurden diese einst von allen Juden
akzeptierten Wahrheiten über die Vertreibung als göttliche
Strafe und unsere Mission in der Diaspora durch zwei Ereignisse
verdunkelt. Zum einen zog sich das Exil über viele hundert
und schließlich tausend Jahre hin. Zum andern gaben viele
Juden im Zuge der Aufklärung ihren Glauben an die Thora
auf.
Folglich versuchten jene Juden, die das Exil nicht länger als
Göttlichen Willen betrachteten, seine Ursache mit nichts weiterem
als der weltlichen Schwäche der Juden zu erklären. Frustriert
über die Länge der Diaspora, dämonisierten sie alle
Nationen. In ihren Augen würden alle Nichtjuden die Juden für
alle Zeiten hassen. Deshalb, so argumentierten sie, müssen
wir das Exil so schnell als möglich auf politischem Weg beenden,
oder auch mit Waffengewalt, falls nötig. Die Pseudoreligion
des Zionismus war geboren.
Als sich der Zionismus nach Osteuropa auszubreiten begann, wurde
er dort von der damaligen rabbinischen Führung aufs Schärfste
verurteilt. Die Ablehnung der Rabbiner gründete auf zwei Faktoren.
Erstens wies diese Bewegung die traditionelle Haltung gegenüber
der Diaspora zurück. Zweitens öffnete der Zionismus einen
Weg, über den die Juden ihren Glauben verlassen konnten, da
95 Prozent seiner Führer atheistisch waren. Ja, man trachtete
danach, gerade unter der Jugend die religiösen, gottesfürchtigen
Juden in nicht religiöse, weltliche Juden zu ändern.
Leider war man damit sehr erfolgreich. Im Grunde genommen wollten
die Zionisten den Judaismus von einem geistigen, göttlichen
Gebilde in eine weltliche, politische Bewegung transformieren, die
sich ihre Ziele – ein Land, Materialismus etc. – gewaltsam
erkämpft.
@ZT-1zeilig: Das moralische Dilemma
@GS: Der Zionismus warf noch ein weiteres, mindestens so wichtiges
Problem auf: Die Unterdrückung und Unterwerfung eines Volkes
und der Raub seines Landes und seiner Selbstbestimmung bewirkte
ein moralisches Dilemma. All dies ist nämlich von Gott und
seiner Thora auf das strengste verboten.
Der zionistischen Ziele wegen war man gezwungen, die palästinensischen
Bewohner des Landes zu ignorieren. Das war das zweite große
Übel des Zionismus. Man versuchte der Welt einzureden, daß
Palästina unbewohnt sei und jene wenigen, die dort leben, kaum
mehr als Barbaren wären. Man denke nur an den berühmten
Slogan Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land‘. Obwohl
es in der zionistischen Bewegung vereinzelte Stimmen gab, die gegen
diese moralische Blindheit protestierten, so war die Mehrheit fest
dazu entschlossen, auf dem eingeschlagenen Weg voranzugehen, ohne
Rücksicht auf die Palästinenser. Als es nicht länger
gelang, die arabische Bevölkerung zu ignorieren, versuchte
die zionistische Bewegung und später der Staat Israel, sie
als unvernünftige Feinde abzustempeln, die es nicht anders
verdienten als militärisch unterworfen zu werden.
So wurden die zwei für das Exil geltende Missionen –
zu bereuen und ‚ein Licht für die Völker‘
zu sein – von der Ideologie und den Taten des Zionismus zerfleischt.
@ZT-1zeilig: Die schreckliche Realität in Israel
@GS: 1948 wurde der Staat Israel gegründet. Das jüdische
Volk besaß nun einen sicheren Hafen. Nicht länger mußten
die Juden das Exil fürchten. Sie waren nach Hause gekommen.
Und schließlich würde jeder Jude seinen Weg ins neue
jüdische Heimatland‘ finden.
Es lohnt sich, in diesem Zusammenhang zwei Ereignisse aus den Anfängen
des Zionismus zu erwähnen: Um 1920 reiste der Oberrabbiner
von Jerusalem, Rabbi Yosef Chaim Sonnenfeld, persönlich zu
König Abdullah von Transjordanien, um ihn der Loyalität
der jüdischen Gemeinden zu versichern. Außerdem erläuterte
er den wahren jüdischen Standpunkt, der den Zielen des Zionismus
diametral entgegengesetzt war.
Das zweite Ereignis geschah 1947. Der damalige Jerusalemer Oberrabbiner
Yosef Tzvi Dushinsky sandte einen Brief an die Vereinten Nationen
nach Lake Placid, worin er festhielt, die Autorität über
60'000 Juden zu haben, die alle verlangten, nicht in den kurz vor
der Gründung stehenden Staat Israel‘ integriert zu werden.
Leider wurden sie nicht beachtet.
Diese Oberrabbiner von Jerusalem sollten nicht verwechselt werden
mit dem heutigen Rabbinat‘ des Staates Israel. Während
die erwähnten Oberrabbiner tatsächlich die Führer
des Judentums in Jerusalem, Palästina und der ganzen Welt waren,
so ist das Rabbinat des Staates Israel‘ mit seinen Rabbis
eine Farce, die nichts mit der wahren jüdischen Religion zu
tun hat und gewiß nicht das jüdische Volk repräsentieren
kann.
@ZT-1zeilig: Gespaltene Orthodoxie
@GS: Diese Aussage von Rabbi Weiss scheint auf den ersten Blick
kaum verständlich. Denn wir alle kennen die Bilder aus Fernsehberichten,
die orthodoxe Juden in Israel zeigen, wie sie für die israelischen
Siedler in den besetzten Gebieten demonstrieren. Oder wir lesen
Zeitungsberichte über die national-religiöse Shas-Partei,
welche für eine harte Politik gegenüber den Palästinensern
eintritt. Das sind jene orthodoxen Juden, die den israelischen Staat
aktiv unterstützen.
Daneben gibt es aber auch in Israel streng religiöse Gemeinden,
welche den zionistischen Staat nicht anerkennen, keine Steuern zahlen,
keine öffentlichen Schulen etc. besuchen, keinen Militärdienst
leisten und sich nicht einmal der staatlichen Gerichtsbarkeit unterstellen.
Sie gehören wie Rabbi Weiss oder G. J. Neuberger zu den Thora-treuen
Juden.
Der letztgenannte erklärt diese Spaltung innerhalb des religiösen
Judentums in der historischen Perspektive: „In der Anfangszeit
des modernen Zionismus wurde Mizrachi‘ gegründet, eine
Gruppe sogenannt religiöser Zionisten, die ihren Glauben mit
den politischen Zielen des Zionismus zu kombinieren versuchten“,
führt Rabbi Neuberger aus. Das habe zu einem ständigen
Konflikt zwischen den Geboten des göttlichen Gesetzes und den
Bedürfnissen des jüdischen Nationalismus geführt.
In Wahrheit hätten diese religiösen Juden nur als Feigenblatt
für den zionistischen Staat gedient, um seine nationalistischen
Ansprüche mit religiöser Autorität zu verbrämen.
Diesen Dienst habe sich die national-religiöse Partei gut entlohnen
lassen, sei es durch finanzielle
Zuwendungen oder in der Form von Kabinetts- und Regierungssitzen.
So stellt die ultra-orthodoxe Shas-Partei in der jetzigen Scharon-Regierung
den Innenminister und ist gegenwärtig die drittstärkste
politische Kraft in Israel. Rabbi Neuberger: „Der Chauvinismus
dieser religiösen Zionisten übertrifft sogar häufig
denjenigen anderer Zionisten, und er war immer in religiöse
Begriffe gekleidet – ein erstklassiges Beispiel für den
Mißbrauch von Religion. “
Die Shas-Partei und ihresgleichen sind die typischen Vertreter der
religiösen Zionisten. In Israel leben auch religiöse Juden,
die zwar den zionistischen Staat nicht direkt unterstützen,
sich aber mit ihm arrangiert haben – will heißen, ihre
sozialen Einrichtungen wie Schulen vom Staat finanzieren lassen.
Dazu gehören die Anhänger von Agudath Israel‘. Diese
antizionistische Weltorganisation wurde 1912 gegründet, verlor
jedoch bald an Widerstandskraft und beteiligte sich seit der Gründung
des Staates Israel sogar an dessen politischer Führung.
Jene streng gläubigen Juden, die bis heute den Zionismus bekämpfen,
haben sich in einer weltweiten Bewegung namens Neturei Karta‘
zusammengeschlossen (siehe Kasten). Sie betrachten sich als die
wahren Hüter des traditionellen religiösen Judentums.
Rabbi Yisroel Dovid Weiss ist einer von ihnen. Lesen Sie weiter,
was er über die Staatsgründung Israels zu sagen hat.
Rabbi Weiss: Doch die Bedenken und Warnungen von so vielen orthodoxen
Führern wurden einfach vergessen und eine regelrechte Euphorie
erfaßte große Teile des weltweiten Judentums.
Heute, 54 Jahre später, hat sich der Traum in einen für
alle sichtbaren Alptraum verwandelt. Es gibt keinen sicheren Hafen.
Der Staat Israel‘ ist der gefährlichste Ort auf Erden,
wo sich ein Jude aufhalten kann. Kriege folgen auf Kriege. Und der
Blutzoll von Juden und Palästinensern steigt unaufhörlich.
Sämtliche Friedensbemühungen haben versagt. Künftige
Versuche, den Terrorismus zu bekämpfen‘, werden zweifellos
den Haß der Palästinenser weiter anheizen. Die zionistischen
Führer befinden sich in einer Sackgasse und wissen nicht mehr
weiter.
Die seit zwei Jahren dauernde Intifada in den besetzten Gebieten
hat bis Mitte August 2002 knapp 2'000 Palästinensern das Leben
gekostet. Gestorben sind auch gegen 400 israelische Zivilisten und
173 Soldaten; knapp 300 dieser Juden wurden in Israel selbst getötet.
Obwohl es eines der Hauptziele des Zionismus ist, daß möglichst
viele Juden aus aller Welt nach Israel einwandern, „haben
in den letzten Jahren Hunderttausende Israelis das zionistische
Paradies verlassen“, meint Neuberger. „Diese Juden erkannten,
daß der zionistische Staat in Wahrheit nur ein riesiges Ghetto
ist.“
Die britische Zeitung The Guardian‘ berichtete am 7. August
2002: „Als eine Delegation von Rabbinern nach Lima, Peru,
reiste, um 90 südamerikanische Indios zum Judaismus zu bekehren,
taten sie dies unter einer Bedingung: Ihr müßt mit uns
kommen und in Israel leben.“
Die Zionisten wenden große finanzielle Mittel auf, um die
Juden in der Diaspora zur Immigration nach Israel zu bewegen. Großzügig
unterstützt werden sie hierbei von vielen fundamentalistischen
Christen Amerikas, die im modernen Staat Israel die Erfüllung
biblischer Prophetie sehen (vgl. ZS. 35, Seite 62). So spendete
die Organisation Christliche Zionisten‘ erst kürzlich
zwei Millionen Dollar und die Internationale Gesellschaft der Christen
und Juden‘ hat in den vergangenen acht Jahren allein in den
USA über 60 Millionen Dollar für die Einwanderungspolitik
Israels gespendet.
Daß diese fundamentalistisch-christliche Richtung der Dispensationalisten‘
den Zielen der Zionisten entgegenkommen, bewies unlängst das
weltweit verbreitete Nachrichtenmagazin Time‘. In seiner Ausgabe
vom 1. Juli 2002 wurde auf ganzen 13 Seiten (!) Werbung für
die Endzeit‘-Philosophie der christlichen Fernsehprediger
gemacht – in diesem Fall für Tim LaHaye. Er ist der Autor
der millionenfach verkauften Bestseller-Serie ‚Left Behind‘
(Zurückgelassen‘), in welchen die Gründung des Staates
Israel als erstes in einer Kette von der Bibel prophezeiten Ereignisse
dargestellt wird, die in der Wiederkehr Christi kulminieren.
Die Artikelserie in Time‘ beginnt mit einem doppelseitigen
Monumentalbild von LaHaye, betitelt mit den Worten Triff den Propheten‘.
Selten wird das Christentum in den Massenmedien so prominent, so
positiv und so respektvoll dargestellt. -–Aber es ging ja
auch nur um jene Christen, die den zionistischen Staat Israel aus
religiösen Gründen unterstützen; ein Umstand, der
auf diesen 13 Seiten immer wieder erwähnt wurde. So überließ
Time‘ die abschließenden Worte denn auch einer führenden
Stimme der amerikanischen Israellobby. Abe Foxman, Direktor der
Anti Defamation League (vgl. ZS 35, Seite 58), sagte: „Ich
glaube nicht, daß es unserer Aufgabe entspricht, die Gründe
zu untersuchen, weshalb jemand Israel unterstützt. Einige tun
es aus Gründen des nationalen Interesses, einige aus moralischen
Überlegungen heraus und einige der theologischen Überzeugung
wegen. Wir setzen keine Standards oder Bedingungen für Unterstützung.“
Es bleibt zu erwähnen, daß der AOL-Time Warner‘-Konzern,
zu dem das Time‘-Magazin gehört, von der Familie des
Whiskey-Milliardärs Edgar Bronfman dominiert wird – dem
Präsidenten des Jüdischen Weltkongresses.
@ZT-1zeilig: Was wir anstreben
@GS: Rabbi Weiss: Die Ziele von Neturei Karta International
sind verschiedene. Erstens trachten wir danach,
die traditionelle jüdische Sicht über das Exil und die
Erlösung aufrecht zu erhalten. Der Gedanke, daß die großen,
glorreichen und geistig wunderbaren Prophezeiungen aus den Schriften
ausgerechnet von jenen erfüllt werden sollen, welche die fundamentalen
Lehren der Thoraablehnen, ist bizarr und abstoßend.
Der Gedanke, daß unser Volk nicht länger in den Zeiten
des Exils lebe, nur weil es Leute wie Chaim Weitzman oder David
ben Gurion so beschlossen haben, ist falsch und verabscheuungswürdig.
Das Judentum hat sich all die Jahrhunderte seiner ungewissen Existenz
hindurch nach der wahren Erlösung des Messias gesehnt. Seit
der Zerstörung des Tempels war der Messias die Quelle unserer
Hoffnung und unserer Gebete. Die wahre Erlösung unseres Volkes
und der ganzen Menschheit liegt in den Händen des Schöpfers.
Deshalb müssen wir erkennen, daß wir uns noch immer im
Exil befinden. Sollte uns das nicht gelingen, so bedeutet dies den
Verlust der Mitzvah von metsapim l’yeshuah –
der Sehnsucht nach Erlösung.
Wir wollen nicht länger versuchen, die Sündenlast zu mindern,
die uns ins Exil getrieben hat. Wir könnten einer unangebrachten
und aggressiven Haltung gegenüber den nichtjüdischen Gastländern
zum Opfer fallen, genauso wie es den Zionisten und ihren Handlangern
ergangen ist.
Doch ganz im Gegenteil: Das jüdische Volk muß allen Völkern
dankbar sein, die es während Generationen aufgenommen und ihm
Gastfreundschaft gezeigt haben. Wir, die wahren Jünger des
Judaismus in der Welt, sind aufrichtig dankbar und möchten
unsere Dankbarkeit all jenen Nationen aussprechen, auch den arabischen
Nationen und dem palästinensischen Volk.
Außerdem ist uns aufgetragen, friedliebende und loyale Bürger
eines jeden Landes zu sein, in welchem wir leben. Und ich möchte
nochmals betonen, daß wir Thora - gläubigen Juden
auf der ganzen Welt diesem Gebot gehorchen.
Zum zweiten empfinden wir die Unterdrückung
des palästinensischen Volkes als widerlich, schmerzhaft und
beschämend. Wir möchten den Schaden wieder gut machen,
den jene dem guten Ruf des jüdischen Volkes zugefügt haben,
die Krieg gegen die Palästinenser führen und die Wunden
der Feindseligkeiten zwischen Juden und Nichtjuden immer wieder
aufs Neue öffnen.
Wir treffen uns mit Palästinensern, muslimischen Führern
und Laien rund um die Welt. Wir verbinden uns mit dem Schmerz und
den Leiden der Palästinenser und aller anderen Menschen guten
Willens, die gegen Unterdrückung und für die Gerechtigkeit
kämpfen.
Wenn die Juden sich in Palästina niederlassen wollen, so muß
das im Einverständnis mit den ursprünglichen Einwohnern
geschehen. Die Haltung, man könne ihnen das Land einfach wegnehmen
oder sie ihres Rechts auf Selbstbestimmung und auf eine eigene Regierung
berauben, ist vollkommen falsch.
Das jüdische Volk ist nicht dazu erschaffen worden, ein anderes
Volk zu unterdrücken, sondern in der Absicht, ein moralisches
Vorbild zu sein. Der Wunsch nach Landbesitz, ohne auf andere Menschen
Rücksicht zu nehmen, steht im Widerspruch zur moralischen Mission
unserer Nation.
Drittens möchten wir das Wohlwollen zwischen
Juden und Nichtjuden fördern. Die Philosophie des Zionismus
ermutigt die Juden dazu, über alle Nichtjuden herrschen zu
wollen. Die Folge ist eine endlose jüdische Konfrontation mit
allen Völkern. Dies ist immer unangebracht, aber ganz besonders
zum jetzigen Zeitpunkt.
Es ist geradezu ironisch: Der zionistische Staat wurde angeblich
gegründet, um die Juden vor Antisemitismus zu schützen.
Und doch ist gerade er die Hauptursache für den weltweiten
Antisemitismus.
Wir begrüßen alle Juden und Menschen guten Willens, die
uns unterstützen möchten. Wir beten und hoffen, daß
jene Juden, die den richtigen Pfad verlassen haben, in die wahren
Arme ihres Glaubens zurückkehren mögen. Auch beten wir
für den friedlichen und schnellen Abbau des zionistischen Staates,
ohne daß Juden und Muslime noch mehr Blut lassen und Schmerz
erdulden müssen.
Wir beten für und hoffen auf die Erlösung aller Menschen
und den Tag, wo die ganze Menschheit den Einen Gott erkennen und
Ihm gemeinsam in Frieden und Harmonie dienen wird. Möge dieser
Tag bald kommen! Amen.
Übersetzung: Benjamin Seiler
@GS-Kasten-Fett: Was ist Zionismus?
@GS-Kasten: Das Wort Zionismus‘ wurde 1893 von Nathan Birnbaum
geprägt. Damit gemeint ist die jüdische Bewegung, die
auf Wiederherstellung eines autonomen jüdischen Staates in
Palästina gerichtet ist – was seit mehr als einem halben
Jahrhundert bereits Realität ist.
Seine organisatorische Form erlangte der Zionismus durch Theodor
Herzl (1860-1904), der 1896 mit der Broschüre Der Judenstaat
der zionistischen Forderung Nachdruck verlieh. Im Gegensatz zu vielen
Rabbinern, für die das Judentum eine Religionsgemeinschaft
ist, betrachtete Herzl die Juden als „eine Nation, eine historische
Menschengruppe von erkennbarer Zusammengehörigkeit, die durch
einen gemeinsamen Feind zusammengehalten wird.“
Um sein nationalistisches Ziel zu verwirklichen, gründete er
mit Gleichgesinnten den Zionistischen Weltkongreß,
der in Basel am 29. August 1897 zum ersten Mal zusammentritt.
@GS-Kasten-Fett:<$>Die Hüter des Judaismus
Wofür Neturei Karta einsteht und weshalb diese Juden dem Zionismus
die Stirn bieten.
@GS-Kasten: ‘Neturei Karta‘ ist aramäisch und bedeutet
Wächter der Stadt‘ – damit gemeint ist natürlich
Jerusalem. Deshalb werden die Mitglieder von Neturei Karta
auch Freunde Jerusalems‘ genannt.
Neturei Karta ist eine auf der ganzen Welt vertretene Organisation,
die offen und vehement dem Zionismus entgegen tritt. In ihr haben
sich die Thora-treuen, streng orthodoxen Juden zusammengeschlossen.
Ihr Zentrum befindet sich in Jerusalem, wo alleine Zehntausende
von ihnen leben. Man findet ihre Gemeinden jedoch über die
ganze Welt zerstreut. Die Anhänger von Neturei Karta
verurteilen den Zionismus, weil er, so argumentieren sie, in seiner
Ausrichtung atheistisch sei und die Juden zu einer chauvinistischen
Haltung gegenüber den Nichtjuden verleite, woraus unter anderem
unsägliches Leid für die Palästinenser erwachsen
ist. „Zionismus läuft in Hinblick auf die Palästinenser
auf Faschismus und Apartheid hinaus“, erklärte Moishe
Arye Friedman in der National-Zeitung vom 7. Juni 2002.
Dem Oberrrabbiner der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Wien
ist das moderne Israel ein Dorn im Auge: „Wir streng orthodoxen
Juden beten drei Mal täglich dafür, daß sich der
Staat zionistischer Prägung auflöst, ohne daß unschuldiges
Blut vergossen wird.“
Damit vertritt er genau die Linie von Neturei Karta. In
ihrem Pamphlet zur Palästinafrage steht: „Wir
verlangen den kompromißlosen Abbau des israelischen Staates.
Wie viele und ob überhaupt Juden dort bleiben werden, liegt
allein bei der Entscheidung der palästinensischen Führung
und ihres Volkes. Sie sind Opfer der zionistischen Bewegung geworden,
die sich in ihrer moralischen Blindheit hartnäckig geweigert
hat, die Existenz anderer Menschen als der ihren in Betracht zu
ziehen. Das palästinensische Volk hat ein Recht auf finanzielle
Entschädigung für den Besitzverlust und die Übertretungen,
die ihm in den letzten Jahrzehnten angetan worden sind.“ (Es
existieren beispielsweise 224 illegale jüdische Siedlungen
auf Palästinenserland.)
Solche Worte sind Balsam für Dr. Issa Nakleh. Der 87jährige
palästinensische Christ ist der ranghöchste arabische
Diplomat in den USA und seit mehr als 50 Jahren Mitglied des Arabischen
Hochkomissariats für Palästina. Er bezeichnet die Anhänger
von Neturei Karta als „unsere Freunde und die wahren
Juden“. Gemeinsam mit ihren arabischen Nachbarn kämpfen
diese streng orthodoxen Juden für die Rechte der Palästinenser.
Und es sei hier erwähnt, daß jene Juden seit jeher friedlich
mit den Palästinensern zusammenlebten – schon lange bevor
es ein britisches Protektorat Palästina oder den zionistischen
Staat Israel gab.
Die Zionisten träumen statt dessen von Erez Israel
– von Großisrael. Theodor Herzl, der Vater des modernen
Zionismus, legte schon 1904 die imperialistische Dimension des künftigen
Zionistenstaates fest, als er verkündete, der Einfluß
Israels werde vom Nil bis an den Euphrat reichen. Von Ägypten
bis zum Irak – dessen Diktator nun auf Betreiben der amerikanischen
Israellobby durch einen Krieg gestürzt werden soll. Nil und
Euphrat sind auch die beiden Flüsse, die durch die zwei blauen
Balken in der israelischen Flagge dargestellt werden.
@ZT-1zeilig: Antisemitismus als Werkzeug
@GS: „Der Zionismus nährt sich aus dem vergossenen Blut
von Juden“, klagt Rabbi Weiss. Deshalb warnt er die Nichtjuden
davor, ihren durch die Handlungsweise der Zionisten hervorgerufenen
Zorn auf die Juden im allgemeinen zu projizieren, weil das nur ungerecht,
sondern auch noch Wasser auf die zionistischen Mühlen wäre.
„Die Zionisten befinden sich in einer Win-Win‘-Situation“,
erklärt der New Yorker Rabbiner. „Wenn sie erhalten,
was sie fordern, haben sie gewonnen. Wenn man sich ihren Forderungen
nicht beugt, bezichtigen sie die andere Seite, sie würde mit
ihrer Haltung den Antisemitismus anheizen – und das bringt
den Zionisten wieder die Unterstützung all jener, die keine
Antisemiten sein wollen.“ Das Schlagwort Antisemitismus‘
werde von der zionistischen Propaganda sowieso als Rechtfertigung
für die Existenz des Staates Israel ausgeschlachtet, schließt
Rabbi Weiss seine Argumentation ab.
Aus diesem Grund versuchen die Zionisten auch immer wieder, gegen
sie gerichtete Kritik mit einem grundsätzlichen Judenhaß
gleichzusetzen. Auf der Internetseite von Neturei Karta, die von
Rabbi Weiss betreut wird, machen diese streng orthodoxen Juden den
Zionisten einen schweren Vorwurf: „Die Gründer des Zionismus
haben in ihren Büchern offen geschrieben, mit welchen Mitteln
sie die Schaffung eines eigenen Staates herbeiführen wollten:
Sie wollten den Antisemitismus so lange anheizen und die Sicherheit
der Juden in allen Ländern der Welt so stark untergraben, bis
diese gezwungen wären, in ihren Staat zu fliehen. Und so kam
es auch. Die Zionisten provozierten das deutsche Volk absichtlich
und gossen Öl ins Feuer des Nazihasses. Diese Strategie verfolgen
die Zionisten bis auf den heutigen Tag. Sie entfachen Antisemitismus
und präsentieren sich dann selbst als die Retter‘. Es
folgen zwei Antworten von zionistischen Führern, die im Zweiten
Weltkrieg um Geld gebeten wurden, damit man damit Juden von den
Nazis hätte freikaufen können.
Greenbaum sagte: Eine Kuh in Palästina ist mehr wert als alle
Juden in Polen.‘ Und Weitzman meinte, daß der wichtigste
Teil des jüdischen Volkes sich bereits im Land Israel befinde;
jene, die man zurückgelassen habe, seien unwichtig.“
Das ist nicht der einzige Grund, weshalb die Zionisten in den Augen
der Thora-treuen Juden die Feinde des Judentums sind (Rabbi Weiss:
„Der Zionismus ist das schlimmste Krebsgeschwür im Judaismus.“):
Der Zionismus untergrabe nicht nur das religiöse Fundament,
sondern verleite auch vor allem in Amerika die Juden dazu, mit ihrem
Geld den Staat Israel zu unterstützen anstatt die streng religiösen
Gemeinden in ihren jeweiligen Gastländern. G. J. Neuberger:
„Nie werde ich die Bemerkung einer Frau aus Oklahoma vergessen:
Ist der heutige Judaismus nicht wunderbar! Alles, was man tun muß,
ist Geld zu spenden.‘“
Geld ist Macht. Beides besitzen die Zionisten in großem Maße.
Diese wissen sie auch gegen kritische Juden einzusetzen. Die Mitglieder
von Neturei Karta haben das oft am eigenen Leib erfahren.
Daß ihre Ansichten in der Öffentlichkeit mehrheitlich
totgeschwiegen werden, ist noch das mindeste. Antizionistischen
Rabbinern kann es zudem passieren, daß sie von ihrer Gemeinde
boykottiert werden und keine Kosher-Überprüfungen von
Geschäften und Restaurants machen können (davon leben
sie unter anderem) etc. Rabbi Weiss: „In Europa ist es noch
schlimmer als hier in Amerika. Unsere Mitglieder wagen dort oft
nicht, den Mund aufzumachen, weil die Einschüchterung so groß
ist.“
Im Internet schreibt Neturei Karta:
• „Die Zionisten kontrollieren die amerikanischen Medien
in einem Ausmaß, daß nur ihre Version verbreitet wird.
• Sie erwecken den Anschein, daß alle Juden und Rabbiner
Zionisten sind, doch das ist falsche Propaganda.
• Die Zionisten terrorisieren jeden, der sich gegen sie ausspricht.
• Jene Juden, die ein Opfer der zionistischen Propaganda geworden
sind, setzen ihre Rabbiner unter Druck, damit sie den Mund halten.“
Keinen Maulkorb anlegen läßt sich Oberrabbiner Friedman.
Der geistige Führer von etwa eintausend Anhängern in Österreich
übt scharfe Kritik an der israelischen Politik gegenüber
den Palästinensern. Öffentliches Aufsehen erregte er,
als er seinerzeit für die international stark angegriffene
schwarz-blaue Regierung Österreichs mit einem Großinserat
in der New York Times eine Lanze brach. Der „unbequeme
Quälgeist im Namen Jahwes“ (Die Presse) ist
vielen Juden ein Dorn im Auge.
Diplomatisch meint er: „Die bestehende Israelitische Kultusgemeinde
ist enorm mächtig und setzt gegen ihre Kritiker äußerst
intolerante Methoden ein.“
Wohl auch deshalb hat er gerade für Deutschland viel Verständnis:
In dem erwähnten Interview mit der National-Zeitung
sagte der Oberrabbiner: „Ich habe starke Sympathie und Mitleid
mit dem deutschen Volk, das in den letzten Generationen unerträglichen
Erpressungen ausgesetzt war und niemals die Möglichkeit hatte,
seine Vergangenheit sachlich zu bearbeiten und mit dem traditionellen
Judentum wieder gute Beziehungen herzustellen. Wie ich die Dinge
sehe, haben die Deutschen den guten Willen gehabt. Dagegen hatten
die Zionisten Interesse daran, Antisemitismus in der Welt und ganz
besonders in Deutschland anzuheizen.“
Nicht alle Aussagen der hier zitierten Rabbiner und Juden decken
sich mit der Meinung der Redaktion. Wir halten ihre Worte jedoch
für einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um Judaismus, Zionismus
und Antisemitismus, die gerade in Bezug auf den Nahostkonflikt zu
einem vordringlichen Thema geworden ist.
ben
Kontaktadresse:
Neturei Karta International
Rabbi Yisroel Dovid Weiss
102A Saddle River Road, P.O.B. 81
Monsey, New York 10952, USA
Telefon: 001-845-371 0490
Fax: 001-845-371 4291
www.netureikarta.org
Quote
„Zionismus ist Auflehnung gegen Gott und Verrat am jüdischen
Volk.“
G. J. Neuberger
@Legenden:
A
13. Dezember 1949: David Ben-Gurion, israelisches Ministerpräsident,
eröffnet die erste Knesset-Sitzung in Jerusalem.
Frühsommer 1897: Die Zionisten gründen die jüdische
Wochenzeitung Die Welt‘ (Theodor Herzl sitzt in der Bildmitte).
C
Rabbi Yisroel Dovid Weiss: Scharfe Verurteilung des Zionismus.
D
Kopist beim Ausbessern einer Thora-Rolle: Propagiert der Zionismus
den Atheismus?
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